ℹ️ Pipi in den Augen haben: „den Tränen nahe sein; feuchte Augen haben (vor Rührung)“
Im Sommer 2020 bin ich von Köln, auch bekannt als Kölle am Rhin, nach Wien, Stadt der unzähligen schönen Gebäude, gezogen. Die Vorfreude war riesig auf ein großartiges Öffi-Angebot mit der Jahreskarte für sage und schreibe 30,42€ im Monat (365€/Jahr).
Inzwischen pendele ich von Wien die Hälfte der Woche beruflich nach St. Pölten (Bundesland Niederösterreich). Eine Einzelfahrt mit ÖBB Vorteilscard-Rabatt (66€/Jahr) kostet mich 5,80€, also 11,60€ pro Arbeitstag. Pendele ich an 3 Tagen die Woche ins Büro, kommen 139,20€ zusammen im Monat. (Es gibt natürlich auch eine Monatskarte. Diese kostet jedoch 143,30€ und gilt immer ab ersten des Monats. Fahre ich eine Woche in den Urlaub, arbeite mal eine Woche nur im Home-Office oder bin krank, habe ich mehr bezahlt als nötig. Shout out übrigens an die ÖBB-App, dass 10 Minuten nach Ticketkauf noch kostenfreie Storno möglich ist. Monatskarte am 15. des Monats kaufen wollen war nicht so finanziell clever von mir. ;-)).
Randnotiz: Wer bei St. Pölten jetzt gleich an Vorurteile wie „hässliche Stadt“ denkt – Oida, ihr wart’s glaub ich echt lange nicht da. (Wobei, Little Vienna dann doch viel zu weit geht. :-D)
Zum Vergleich: Schaut’s euch mal echte marode Bahnhöfe (mdr.de) an. 😉
Landesweites Klimaticket für 91,25€/Monat
Zurück zum Thema. Aktuell habe ich schon ziemlich Pipi in den Augen, dass nun landesweite Mobilität in
- Bus / Bim [Straßenbahn]
- U-Bahn / S-Bahn
- und zudem in Schnellzügen [Railjet Express / ICE]
für 91,25€ / Monat mit dem Klimaticket möglich gemacht wird.
Ja, alle Schnellzüge landesweit und Mobilität in allen Städten und Orten. Eine flexible Öffi-Flatrate für ganz Österreich (Und ja, gilt auch in den ICEs, die durch Österreich fahren. ;-)).
ℹ️ Wie der Umstieg von Wiener Linien Jahreskarte auf Klimaticket funktioniert, habe ich hier verbloggt. Spoiler: Es dauert 3 Minuten am Service-Schalter.
Pipi in den Augen
Die Klimakrise wird meiner Ansicht nach in diesem Vorhaben (endlich) ernst genommen. Ein Gefühl, dass ich lange vermisst habe: Klimapolitik, die meinen Alltag berührt und ernsthaft versucht, klimafreundliches Verhalten zu ermöglichen und zu belohnen.
Aus Deutschland bin ich persönlich noch so sozialisiert, dass Öffi-Nutzende im Vergleich zum PKW a) oft mehr bezahlen und b) dann auch noch in der Flexibilität schlechter da stehen und sich c) auch noch mit Tarifverbundsgrenzen herumschlagen dürfen, wenn man mal von Köln nach Düsseldorf oder von Leipzig ins Umland fahren möchte.
Auch Sparpreis-Aktionen sind toll, aber eine feste Zugbindung ist für mich persönlich nicht die Mobilität der Zukunft. Insbesondere wenn der Umstieg von individuellem PKW zu Öffis gelingen soll. Diese „Painpoints“ wie mangelnde Flexibilität geht das Klimaticket ebenfalls an.
War es bisher außerdem für die Wiener:innen „eh super“, dass sie für einen Euro am Tag die Jahreskarte hatten, so hat das ja anderen Regionen nichts gebracht. Die Vorbildfunktion für andere Staaten ist nun (hoffentlich) groß, wenn Österreich ebenfalls eine landesweite Ticketlösung für Öffis einführt.
Zum informativen Vergleich:
- Der Auto-Besitz kostet (mit Wertverlust) ca. 425,00€/Monat in Deutschland, siehe Wie wir uns über die Kosten des Autos selbst belügen – zulasten aller (moment.at).
- Eine Bahncard 100 kostet in Deutschland 335,58 €/Monat.
- In Luxemburg ist die öffentliche Mobilität grundsätzlich kostenfrei für Bürger:innen und Besucher:innen.
Natürlich ist auch das österreichische Klimaticket kein Selbstläufer, der politische Weg dahin war wohl steinig und mit kritischem Auge muss man auch drauf schauen und sicher an einigen Stellen optimieren: Klimaticket: Ein Anfang, teuer erkauft (standard.at).
Fest steht aber jetzt schon: Der Verkehrssektor ist eins der großen Sorgenkinder, sowohl in Österreich, als auch in Deutschland (und sicher auch in anderen Ländern).
Und natürlich: Für den ländlichen Raum braucht es ebenfalls gute und praktikable Lösungen (vcd.org).
Wenn wir weitere Katastrophen wie Ahrweiler verhindern bzw. die Häufigkeit reduzieren wollen, dann darf die verdammte Keeling-Kurve nicht mehr steigen in den nächsten Jahrzehnten und weitere Krisen wie Artensterben müssen ernst genommen werden. Ich hoffe, dass ich die Stagnation dieser Grafik noch erleben werde.
Öffis sind ein Baustein hierfür. Wo es möglich ist, sollte auf Öffis umgestiegen werden – „Öffis nützen, Klima schützen“.
Und ja, motschkern ist natürlich wie immer erlaubt. Aber erstmal sollte die Freude und Hoffnung im Vordergrund stehen am 26. Oktober, zumindest tut sie das bei mir.
Warum Züge so unglaublich energieeffizient sind im Vergleich zu Auto-Reifen, erklärt Ranga Yogeshwar hier übrigens sehr anschaulich:
📺 Kann Ranga einen Waggon anschieben? (Quarks / WDR)
Die Klimakrise in 15 Minuten verstehen:
Aktuelle Lese-Empfehlung:
📖 Ändert sich nichts, ändert sich alles! (Katharina Rogenhofer , Florian Schlederer)
📺 Livestream-Aufnahme: Buchpräsentation im MAK
Wohin mit dem Klimaticket fahren?